Urteil des Finanzgerichts Berlin zum Thema “Betriebskosten” bei Zahlungen an eine EWIV
Am gestrigen Mittwoch diskutierte unser EWIV-Expertenrat in seiner monatlichen Sitzung ein Urteil des Finanzgericht Berlin, vom 11. April 2019 (Az. 7 K 7194/17). Der Streit betraf die Frage, ob die Klägerin (eine EWIV) im Jahr 2013 steuerbare Ausgangsumsätze hatte und ob sie daher einen Vorsteuerabzug geltend machen konnte. Das Finanzamt hatte den Vorsteuerabzug nach einer Prüfung verweigert, da es argumentierte, die EWIV erbringe keine steuerbaren Dienstleistungen. Das Gericht gab der Klägerin recht, korrigierte falsche Belege und bestätigte, dass die EWIV steuerliche Dienstleistungen für ihre Mitglieder erbringt, ohne diese im Detail aufzuschlüsseln.
Fazit des EWIV-Expertenrats aufgrund der auszugsweise aufgeführten Urteilsbegründung:
Mitgliedsbeiträge / Kostenumlagen sind umsatzsteuerlich relevante Einnahmen für die EWIV und damit vorsteuerabzugsfähige Betriebsausgaben für die Mitglieder.
Auszug aus der Urteilsbegründung:
d) Das nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG erforderliche Austauschverhältnis kann sich im Verhältnis zwischen einer Personengesellschaft und einem ihrer Gesellschafter bereits daraus ergeben, dass die Tätigkeit der Gesellschaft dem konkreten Individualinteresse des Gesellschafters dient. Der Annahme eines Leistungsaustausches steht nicht entgegen, dass die Personenvereinigung durch ihre Tätigkeit Leistungen gleichzeitig für alle Mitglieder erbringt. Ob sich Zahlungen des Gesellschafters am Umfang der Inanspruchnahme der Leistungen oder an der Höhe der Beteiligung orientieren, ist unerheblich. Für das Vorliegen eines Leistungsaustausches kommt es weiter nicht auf eine finale Verknüpfung von Leistung und Entgelt an (BFH, Urteil vom 05.12. 2007 V R 60/05, BStBl II 2009, 486, II. 1. b) bb), cc), 2.
b) der Gründe). Für die Annahme eines Leistungsaustauschs ist auch ohne Bedeutung, ob der (gemeinnützige) Unternehmer damit auch einen seiner Satzungszwecke verwirklicht; die wirtschaftliche Tätigkeit wird nicht durch eine gleichzeitig verfolgte ideelle Betätigung verdrängt. Ob das Entgelt dem Wert der Leistung entspricht, ist für das Vorliegen eines Leistungsaustausches ebenfalls unerheblich (BFH, Urteil vom 22.04.2015 XI R 10/14, BStBl II 2015, 862, II. 1. a) dd) der Gründe m. w. N.). Der Annahme von entgeltlichen Leistungen steht es nicht entgegen, dass nicht jedes Mitglied eines Verbands gleichermaßen von dessen jeweiligen Tätigkeiten profitiert und nicht im gleichen Umfang die Leistungsangebote abrufen dürfte. Entscheidend ist vielmehr, dass den Mitgliedern als Gegenleistung für ihre Mitgliedsbeiträge die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Leistungsangebote ermöglicht wurde (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13.09.2017 2 K 2164/15, Entscheidungen der FG – EFG – 2018, 63, insoweit nicht beanstandet vom BFH im Urteil vom 13.12.2018 V R 45/17, DStR 2019, 691).
e) Nach diesen Maßstäben sind die Mitgliedsbeiträge und Aufnahmegebühren Entgelte für steuerbare Leistungen der Klägerin. Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt es auf Grundlage der vorstehend zitierten Rechtsprechungsgrundsätze nicht darauf an, ob die Klägerin für einzelne Mitglieder Marketingmaßnahmen individueller Art oder sonstige individuell auf das einzelne Mitglied abgestimmte Leistungen erbracht hat. Unerheblich ist auch, ob alle Mitglieder im Streitjahr noch einheitlich 400,00 € Mitgliedsbeitrag pro Monat zu zahlen hatten (wofür die Tatsache spricht, dass die Rechnungen aus dem Streitjahr, soweit sie vorliegen, keine anderen Beträge als Mitgliedsbeiträge ausweisen) oder ob die Leistungsentgelte nach Größenmerkmalen der Mitglieder oder nach dem Ausmaß der Inanspruchnahme der klägerischen Leistungen individuell verschieden waren. Für eine umsatzsteuerbare Leistung der Klägerin reicht es aus, wenn sie den Mitgliedern ein Netzwerk zur Kontaktaufnahme mit den anderen Mitgliedern und Anbahnung von Geschäften untereinander zur Verfügung gestellt hat, die Mitglieder auf ihrer Homepage zu Werbezwecken vorgestellt und Veranstaltungen durchgeführt hat, welche die Mitglieder zur Akquise eigener Kunden nutzen konnten. Dies waren die wirtschaftlichen Vorteile, welche die Klägerin ihren Mitgliedern zur Verfügung gestellt hat und für die diese die Mitgliedbeiträge und Aufnahmegebühren zu zahlen bereit waren. Die Vernetzung hatte ebenso wie die übrigen Tätigkeiten der Klägerin den Zweck, den Mitgliedern konkrete neue Aufträge zu verschaffen. Insofern trifft die Auffassung des Beklagten, die Vernetzung der Mitglieder untereinander sei keine steuerbare Leistung der Klägerin, nicht zu, zumal sich die feststellbaren Leistungen der Klägerin, die sie in gleicher Weise an alle Mitglieder erbracht hat, auf die bloße Vernetzung nicht beschränkten. Anders als im VNLTO-Fall des EuGH (Urteil vom 12.02.2009 C-515/07 – VNLTO, DStR 2009, 369) beschränken sich die Leistungen der Klägerin von daher auch nicht auf die Wahrnehmung der allgemeinen Interessen der Mitglieder im Sinne einer reinen Lobbyarbeit. Die Klägerin ist auch kein Berufsverband i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG, sodass aus dem BFH-Urteil vom 13.12.2018 (V R 45/17, DStR 2019, 691) kein abweichendes Ergebnis abzuleiten ist. Anders als dies möglicherweise bei den Leistungen des dort verfahrensgegenständlichen Berufsverbandes der Fall war, hat die hiesige Klägerin an ihre Mitglieder nicht lediglich Leistungen erbracht, welche allgemein den wirtschaftlichen Interessen aller Angehörigen eines Berufs- oder Wirtschaftszweigs dienten, sondern im Kern die Individualinteressen nur ihrer Mitglieder vertreten.
II. Ein Revisionszulassungsgrund besteht spätestens nach Ergehen des BFH-Urteils vom 13.12.2018R 45/17, DStR 2019, 691) nicht mehr
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